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Mittwoch, 15. Dezember 2010

04 Das Wissen um die Zeit

Aus David McLion's
Artikelserie "Lernen, Leben, Lehren"




Leben heisst "entdecken, gestalten, bewahren". Der Mensch wird geboren in eine Welt, in der er tagtäglich Neues entdecken kann, so auch, dass er zeit seines Lebens im Schnittpunkt zweier Welten lebt, zwischen Traum und Wirklichkeit, eingebunden im Netz der Königsfäden, aufgehoben und abgesichert, so dass er seinen Geist frei fallen lassen kann. Denn erst im freien Fall kann er die Turbulenzen der Zeit überwinden, erst im Nichtwissen das Wissen erfahren...

Wer noch Zelluloid als Hobbyfilmer geschnitten hat, der weiss, dass Film kein lückenlos zusammenhängendes Kontinuum ist. Das menschliche Auge lässt sich täuschen. Das was es als bewegtes Bild empfindet, baut sich auf einer Reihe von Standbildern auf, welche im Fluss der Zeit dem Beobachter einen dynamischen Prozess vorgaukeln.

[Bild] - [kein Bild] - [Bild] - [kein Bild] ...  oder auch [Eins] - [Keins] - [Eins] - [Keins] ... oder auch [1] - [0] - [1] - [0] ...

Vergleichen wir die Bilder-Reihenfolge einmal mit einer Perlenkette, so ergibt sich eine Abfolge von Perlen in gegenseitiger Berührung. Rahmen wir diese Berührung im Sinne eines "zwischen zwei Perlen" einmal ein und schenken dieser "Mitte" jetzt besondere Aufmerksamkeit. Die Berührung setzt einen Abstand voraus, denn nur durch diesen Abstand kann man sich näher kommen, bis man sich schliesslich berührt. Reduziert man die beiden Perlen schliesslich auf zwei sich tangential berührende Kreise und stellt sich vor, dass ein Kreis die Aneinanderreihung von einzelnen kleinsten Punkten ist, dann bedeutet die Berührung zwischen den beiden Kreisen soviel wie die Berührung zwischen zwei kleinsten Punkten. "Mitte" bedeutet bis in die kleinste vorstellbare Welt des Mikrokosmos demnach immer "zwischen dem Einen und dem Anderen" oder auch zwischen dem einen Bild und dem nächsten Bild.

Was müssen wir uns vorstellen unter [kein Bild]? Wahrnehmung [Bild] ist ja abhängig von Nicht-Wahrnehmung [kein Bild]. So wie die Tonfolge des Trommelwirbels in Abhängigkeit steht zur Pause zwischen zwei Trommelschlägen. Oder ein Satz, der sich aus einzelnen voneinander getrennten Wörtern zusammensetzt und der wiederum vom nächsten Satz durch einen Punkt getrennt wird bis daraus eine Geschichte aus einzelnen Sätzen entsteht. Oder dem Pendel einer Uhr, welches im Zwischen des Vor und Zurück ein Minipause "Null" einlegt. Oder dem "kleinen Tod" zwischen Ein- und Ausatmen...  Immer besteht die "Mitte" aus dem "Sowohl-als-auch" - der berührenden Verbindung zwischen dem Einen und dem Nachfolgenden in der Zeit. Das Sinnesorgan, sei es das Auge oder das Ohr, kann ohne die Pause oder das lichtundurchlässige Nichtbild des Films weder sehen noch hören. Es braucht den Puls der Zeit, das Wechselspiel, die Frequenz, die Abfolge mit der integrierten Mitte dazwischen.

Dieses ZWISCHEN ist der "Königsfaden", der alles mit allem verbindet, einander berührt und doch Abstand hält - damit sich individuelle Vielfalt in Einheit fortentwickeln kann. Das ZWISCHEN ist das Paradoxon des "Weder-noch" oder der Raum des "Sowohl-als-auch". Die unsichtbare Mitte, der "blinde Fleck" auf der Netzhaut der bewussten Wahrnehmung - das Nichtbewusste, Unbewusste, Spirituelle, Energetische. Der Energiefluss des feinstofflichen Körpers, die Grundspannung, die Liebe, welche die Welt zusammenhält.

Diese Kolumne hat ihren gedanklichen Ursprung in McLion's Forschungsarbeit "Theographie", einer Disziplin der Informations-Kybernetik, welche seit 2008 auf WIKIVERSITY im Fachbereich Religionswissenschaft und Theologie veröffentlicht ist.
LINK zum Kapitel 06 "Das Paradoxon des Sowohl-als-auch"

Link zum Artikel mit Bild und Video/Audio auf Theographica